Die Rechte eines Arbeitnehmers ergeben sich in der Regel aus dem Gesetz, einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder dem (schriftlichen) Arbeitsvertrag. Dem Arbeitnehmer können aber auch in Form eines konkludenten Vertragsschlusses Rechte entstehen, namentlich durch die sogenannte Betriebliche Übung. Die Betriebliche Übung wird häufig mit der Gewährung von arbeitgeberseitigen freiwilligen Sonderleistungen in Verbindung gebracht. Hat der Arbeitgeber in der Vergangenheit freiwillig Sonderleistungen an seine Mitarbeiter gewährt, so kann die Betriebliche Übung ergeben, dass der Arbeitgeber zur Gewährung der Sonderleistung auch in der Zukunft verpflichtet ist. Die Rechtsprechung vertritt zur rechtsdogmatischen Begründung die sogenannte Vertragstheorie. Durch die regelmäßige Wiederholung eines bestimmten Verhaltens des Arbeitgebers unterbreitet der Arbeitgeber seiner Belegschaft konkludent ein Vertragsangebot, welches die Arbeitnehmer ebenfalls konkludent annehmen, ohne dass die Arbeitnehmer dem Arbeitgeber dies ausdrücklich (wörtlich) mitteilen müssen. Es genügt auf Arbeitnehmerseite die wortlose Entgegennahme der Sonderleistung.
Wie kann eine betriebliche Übung verhindert werden?
Eine zu Lasten des Arbeitgebers entstehende vertragliche Bindung kann dann nicht angenommen werden, wenn er bei Erteilung oder Gewährung der Leistung deutlich zum Ausdruck bringt, dass die Leistung freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruches gewährt wird. Der Arbeitgeber muss bei der Leistungsgewährung erkennbar zum Ausdruck bringen, dass er die Leistung nicht dauerhaft gewähren möchte, sondern sich die Entscheidung über das ob der Leistung auch zukünftig vorbehalten möchte. Ein solcher Vorbehalt kann beispielsweise durch ein Rundschreiben, einen Aushang oder durch Erklärung gegenüber jedem einzelnen Arbeitnehmer via Intranet oder E-Mail oder auf der Gehaltsabrechnung erfolgen.
Im Zusammenhang mit der Verhinderung einer Betrieblichen Übung wird oftmals die Problematik eines im schriftlichen Arbeitsvertrag enthaltenen Freiwilligkeitsvorbehalts diskutiert. Mit einem im Arbeitsvertrag formulierten pauschalen Freiwilligkeitsvorbehalt, der nicht auf eine konkrete Leistung des Arbeitgebers zugeschnitten ist, ist nach aktuellem Stand der Rechtsprechung eine Betriebliche Übung nicht zu verhindern. Des Weiteren genügt ein bloßer Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag zum Ausschluss einer Betrieblichen Übung nicht, da der Arbeitgeber nach Auffassung der Rechtsprechung hiermit lediglich zum Ausdruck bringt, dass er aus keinem sonstigen Rechtsgrund (beispielsweise Tarifvertrag) zur Leistungsgewährung verpflichtet ist. Ein im Arbeitsvertrag normierter Freiwilligkeitsvorbehalt der eine Betriebliche Übung ausschließen soll muss daher nicht nur in Bezug auf eine konkrete Leistung / Sonderzahlung des Arbeitgebers bezogen sein, sondern zugleich den Hinweis enthalten, dass ein Rechtsanspruch durch die Leistung nicht begründet wird.
Mit einer gegenteiligen Betrieblichen Übung kann der Arbeitgeber eine Betriebliche Übung nicht mehr verhindern. Das Bundesarbeitsgericht hat seine diesbezügliche Rechtsprechung zwischenzeitlich wieder aufgegeben.
Dasselbe gilt für den Schriftformvorbehalt in Arbeitsverträgen. Diese sind regelmäßig unwirksam und können das Entstehen einer Betrieblichen Übung nicht verhindern. Anderes gilt nur für Schriftformklauseln in Tarifverträgen, die für das Arbeitsverhältnis Anwendung finden.
Welche Ansprüche können dem Arbeitnehmer aus einer betrieblichen Übung erwachsen?
Der Anwendungsbereich der Betrieblichen Übung ist denkbar weit. Folge der rechtsdogmatischen Begründung der Betrieblichen Übung als konkludente Vertragsvereinbarung ist, dass prinzipiell jede Arbeitsvertragsbedingung, die auch in einem (schriftlichen) Arbeitsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden kann, Gegenstand einer Betrieblichen Übung sein kann. Die Betriebliche Übung ist nicht nur auf Sonderzahlungen, wie beispielsweise das Weihnachtsgeld beschränkt. Es können sich aus der Betrieblichen Übung daher Rechte für die Arbeitnehmer betreffend einer Altersversorgung, ein dreizehntes Jahresgehalt, Sondervergütungen aller Art, Jubiläumszuwendungen, Regelungen betreffend der Arbeitszeit, Aufwendungsersatz für dienstlich veranlasste Fahrten, Fortbildungskosten, bezahlte Raucherpausen, private Nutzung von dienstlichen Kommunikationsmitteln oder kostenlose Parkplätze etc. ergeben.