Anmerkung zu Entscheidungen Landgericht Koblenz 2 T 36/24 und Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler 35 C 5/23 zur Frage der unmittelbaren Vollstreckungsmöglichkeit gegenüber dem Vertretungsorgan einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
Dem Landgericht Koblenz (LG Koblenz, Beschl. v. 06.06.2024 – 2 T 36/24) wurden im Wege der sofortigen Beschwerde zwei praxisrelevante Rechtsfragen aus dem Zivilprozess- sowie Wohnungseigentumsrecht zur Entscheidung vorgelegt. Streitbefangen war die Problematik des richtigen Vollstreckungsorgans bei der Vollstreckung von Einsichtnahmegesuchen sowie insbesondere die, in der wohnungseigentumsrechtlichen Literatur seit der Einführung des WEMog vermehrt diskutierte, Frage einer Vollstreckungsmöglichkeit unmittelbar gegenüber dem Verwalter einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Während sich das Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler (AG Bad Neuenahr-Ahrweiler, Beschl. v. 11.12.2023 – 35 C 5/23 WEG) noch gegen eine Zwangsgeldanordnung gegenüber dem Vertretungsorgan der Gemeinschaft ausgesprochen hatte, entzog sich das Landgericht Koblenz – durch eine abweichende Entscheidung bei der vorgelagerten zivilprozessualen Problematik – der praxisrelevanten Frage betreffend einer Vollstreckungsmöglichkeit direkt gegenüber dem Verwalter. Zur Gewährung von effektivem Rechtsschutz wäre eine Änderung in der nur rudimentären Rechtsprechung zur Thematik wünschenswert gewesen.
A. Praktische Notwendigkeit
Die zunächst durch den BGH lediglich rechtsfortbildend postulierte Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wurde im Zuge der WEG-Reform 2007 erstmals gesetzlich normiert und findet sich seit der Einführung des WEMog am 01.12.2020 in § 9a WEG. Passivlegitimiert ist demnach bei der Durchsetzung von Ansprüchen des Wohnungseigentümers gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer stets die Gemeinschaft selbst (Vgl. BGH, Beschluss vom 23.06.2016 – I ZB 5/16). Dieser Grundsatz gilt im Wohnungseigentumsrecht uneingeschränkt, also auch bei der Durchsetzung von Handlungen, zu deren Vornahme aufgrund des Verwaltervertrages alleine der Verwalter berechtigt und verpflichtet ist.
Der Verwalter verwaltet das gemeinschaftliche Eigentum und vertritt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gemäß § 9b WEG gerichtlich und außergerichtlich. Dies führt jedoch bei der Durchsetzung von Ansprüchen, welche unmittelbar die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums betreffen, niemals zu einer Klagemöglichkeit gegen den Verwalter. Es bleibt lediglich die Inanspruchnahme der Gemeinschaft. Ein Durchgriffsanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers gegen den Verwalter, wie noch vor der Reform, existiert seit der Einführung des WEMog nicht mehr.
Dies ist zwingende Folge grundlegender systematischer Weichenstellungen des Gesetzgebers und im Ergebnis auch nicht zu beanstanden. Das Gesetz bietet Möglichkeiten zur Bewältigung der rechtlichen und tatsächlichen Folgeprobleme. Zu unbilligen Ergebnissen kommt es jedoch im Rahmen der Vollstreckung von Urteilen im Falle von unvertretbaren Handlungen, deren Ausführung ausschließlich dem Verwalter obliegt. Problematisch ist hierbei insbesondere, dass der Verwalter auf Vollstreckungsebene auch dann unberücksichtigt bleibt, wenn er das einzige Organ ist, welches zur Vornahme der
titulierten Handlung tatsächlich in der Lage ist. Die bisherige Rechtsanwendung führt demnach zu Fallkonstellationen, in denen eine Vollstreckung rechtskräftiger Urteile faktisch unmöglich ist. Erschwerend hinzu kommt, dass ein zu verhängendes Zwangsgeld den Titelgläubiger im Ergebnis selbst belastet. Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes bedarf der bisherige Umgang daher einer Korrektur; hierzu im Einzelnen:
B. Objektive Darstellung der Rechtslage
- Zwangsvollstreckung gemäß § 888 ZPO
Die Vollstreckung gemäß § 888 ZPO dient der unmittelbaren Durchsetzung solcher Ansprüche, die eine unvertretbare, also eine nur vom Schuldner selbst ausführbare, Handlung zum Gegenstand haben. In diesem Fall wird dem Gläubiger die Möglichkeit eingeräumt sein Primärinteresse durch Ausübung von Zwang auf den Willen des Schuldners durchzusetzen. Sofern die Handlung nicht ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängig ist, scheidet eine Vollstreckung gemäß § 888 ZPO daher aus (Gruber in MüKo, ZPO, 6. Aufl., § 888 Rn. 1)
Die Einsichtnahme in Rechnungsbelege ist daher nach herrschender und aus den dargestellten Gründen vorzugswürdiger Auffassung über § 888 ZPO zu vollstrecken (Vgl. Dötsch in Bärmann, 15. Aufl. 2023, WEG, § 18 Rn. 154; BayObLG v. 24.03.1997 – 2Z BR 22/97, BeckRS 1997, 31047852; Schmid, ZWE 2014, 389; OLG Hamburg v. 20.08.2007 – 2 Wx 117/06, BeckRS 2008, 2585, Rn. 31; Lehmann-Richter/Wobst WEG-Reform 2020 Rn. 372).
- Problematik der Urteilsvollstreckung gemäß § 888 ZPO bei unvertretbaren Handlungen des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft
Sofern – wie in der juristischen Praxis seit der Reform vermehrt feststellbar – einzelne Sondereigentümer sich einem untätigen Verwalter ausgesetzt sehen, kommt es im Rahmen der Vollstreckung rechtskräftiger Urteile gehäuft zu dem Problem, dass das Vollstreckungsrecht keine Möglichkeit bietet, um den gegenüber dem Verwalter erforderlichen Druck zur Vornahme der titulierten Handlung auszuüben. Dies betrifft insbesondere Einsichtnahmegesuche in Verwalterunterlagen sowie die Erstellung der Jahresabrechnung. Hier sind die Wohnungseigentümer zwingend auf Mitwirkungshandlungen des Verwalters angewiesen. Das Einsichtnahmerecht ist daher in den vorbeschriebenen Fällen gemäß § 888 ZPO durch Verhängung eines Zwangsgeldes, hilfsweise durch Zwangshaft zu vollstrecken. Da passivlegitimiert jedoch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und nicht der Verwalter ist, wäre das Zwangsgeld gemäß dem Gebot der Titelklarheit gegenüber der Gemeinschaft zu verhängen. Da das Gemeinschaftsvermögen zugleich Teil des Vermögens des einzelnen Wohnungseigentümers ist, wird vom Titelgläubiger letztlich verlangt in sein eigenes Vermögen zu vollstrecken. Dieses Dilemma wird durch die allenfalls mäßigen Erfolgsaussichten der Maßnahmen noch zusätzlich verschärft. Durch die Verhängung von Zwangsgeld kann allenfalls Druck auf die Gemeinschaft ausgeübt werden selbst aus dem Verwaltervertrag gegenüber dem Verwalter vorzugehen. Dem müssten wiederum Handlungen des – jedoch untätigen – Verwalters bzw. alternativ mehrere gerichtliche Beschlussersetzungsverfahren vorausgehen, was lediglich zu einer zusätzlichen Belastung der Gerichte sowie Kostenbelastung der Gemeinschaftskassen führt. Bis der Titel unmittelbar gegen den Verwalter erstritten ist, ist dieser bereits abgesetzt, häufig gar insolvent, weshalb es zwingend einer schnellen Zugriffsmöglichkeit bedarf. Gerade über
das Mittel der Zwangshaft aus dem bereits erstrittenen Titel vorzugehen wäre hier ein effektives Druckmittel.
C. Lösungsansatz
Zur Herbeiführung einer praxistauglichen Lösung muss das Gebot der Titelklarheit hinter dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes zurückweichen. Zunächst ist Ersterem zuzugestehen, dass eine Personenidentität zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens und denen des Vollstreckungsverfahrens aus nachvollziehbaren Erwägungen grundsätzlich gegeben sein muss. Wer formal keine Partei des Rechtsstreits ist, dem darf auch keine Vollstreckung aus einem Titel, der gegenüber einem Dritten ergangen ist, drohen. Jedoch ist auch dieser Grundsatz nicht unumstößlich und wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach aufgeweicht.
In der gesellschaftsrechtlichen Literatur herrscht weitgehend Konsens hinsichtlich des Adressaten von Zwangsmitteln im Zwangsvollstreckungsverfahren. Sofern ein Organhandeln erzwungen werden soll, ist das Zwangsgeld richtigerweise gegenüber dem zur Handlung verpflichteten Organ zu verhängen (Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 35 Rn. 27; Noack/Servatius/Haas, GmbhG, 23. Aufl., § 35 Rn. 16; Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 35 Rn. 41). Gerichtsentscheidungen zur Vollstreckung gemäß § 888 ZPO stehen auch hier noch aus. Immerhin werden bislang Ordnungsgelder gemäß § 141 III 1 ZPO direkt gegenüber dem Geschäftsführer einer GmbH verhangen, obwohl die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nur auf die Parteien des Rechtsstreits Anwendung findet. Argumentiert wird mit Praktikabilitätserwägungen sowie dem Sinn und Zweck der Norm. Aus dem zugrunde gelegten Parteibegriff wird der Rückschluss gezogen, dass auch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bei einer GmbH stets gegenüber der Person des Geschäftsführers zu vollstrecken sind, wenn ein Organhandeln des Geschäftsführers erzwungen werden soll (Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 35 Rn. 27). Hier zeigt sich beispielhaft wie der Umbau der WEG zur „Quasi-GmbH“ dazu geführt hat, dass Fragen aus dem Gesellschaftsrecht in das WEG transportiert werden (Dötsch/Schultzky/Zschieschack in WEG-Recht 2021, Kapitel 14, Rn. 154). Das Verhältnis zwischen WEG-Verwalter und GdWe entspricht dem Verhältnis des Geschäftsführers zur GmbH. Die Vorschrift des § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG ist wortgleich mit der Vorschrift des § 9b Abs. 1 Hs. 1 WEG, weshalb auf die im GmbH-Recht bereits etablierten Lösungsansätze auch im WEG-Recht zurückgegriffen werden kann und sollte.
Zudem besteht nach herrschender Meinung für den Fall der Prozessunfähigkeit des Schuldners die Möglichkeit der Verhängung von Zwangshaft gegen den gesetzlichen Vertreter (Seiler in Thomas/Putzo/ Seiler, ZPO, § 888 Rn. 16). Die Situation ist auf die vorstehende Problematik ohne weiteres übertragbar, denn mit der Bestellung eines Verwalters verliert die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ihre alleinige Prozessfähigkeit. Die Gemeinschaft kann ab dem Zeitpunkt der Bestellung nach außen rechtsverbindlich und prozessual nur noch über ihren Verwalter tätig werden.
Aus dem gleichen Grund fehlt es auch an der Schutzwürdigkeit des Verwalters vor Abweichungen von der Titelklarheit. Der Verwalter vertritt die beklagte Gemeinschaft gemäß § 9b WEG über den gesamten Prozess hinweg. Regelmäßig ist er im Termin zur mündlichen Verhandlung selbst anwesend. Die Zustellung der Urteile erfolgt unmittelbar an ihn. Streitbefangen sind vertraglich vereinbarte bzw. gesetzlich kodifizierte höchsteigene Verwalterpflichten. Indem sich der Verwalter sehenden Auges darauf ausruht, dass er
formal nicht Partei des Rechtsstreits ist, verhält er sich in höchstem Maße treuwidrig und verliert dadurch jede Schutzwürdigkeit für das nachfolgende Vollstreckungsverfahren.
Hinzu kommt, dass der Verwalter als alleinvertretungsberechtigtes Organ der Gemeinschaft bereits im Rubrum, sowohl des Ausgangs- als auch des Vollstreckungsverfahrens, aufgeführt ist, weshalb es lediglich zu einer leichten Aufweichung, nicht aber einem Bruch mit dem Gebot der Titelklarheit kommt. Dem kann in der Praxis schriftsätzlich Rechnung getragen werden, indem im Vollstreckungsverfahren zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Schuldnerin zu 1.) sowie dem Verwalter als Schuldner zu 2.) differenziert wird. Damit bleibt die Parteienidentität weitestgehend erhalten. Es erfolgt lediglich eine Ausweitung des Vollstreckungstitels auch auf den Vertreter der Gemeinschaft.
D. Jüngste Entscheidungen AG Bad Neuenahr-Ahrweiler und LG Koblenz
Mit Beschluss vom 11.12.2023 (AG Bad Neuenahr-Ahrweiler, Beschl. v. 11.12.2023 – 35 C 5/23 WEG) hat das Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler einen entsprechenden Antrag auf Zwangsgeldfestsetzung (hilfsweise Anordnung von Zwangshaft) zur Erzwingung der Einsichtnahme in Verwalterunterlagen gegenüber dem Verwalter zurückgewiesen.
Zur Begründung führt es aus, dass es zwar effizienter sei unmittelbar gegenüber dem Verwalter vorzugehen, es aber an der Vollstreckungsvoraussetzung des „Titels gegenüber dem Schuldner“ fehle, da der titulierte Anspruch nur gegenüber der Gemeinschaft bestehe. Ob sich das Gericht nach einer erfolglosen Zwangsgeldfestsetzung gegenüber der Gemeinschaft im Rahmen eines erneuten Antrags auch der Verhängung von Zwangshaft gegenüber dem Verwalter verschließen würde, wurde ausdrücklich offengelassen (a.a.O.).
Gegen die amtsgerichtliche Entscheidung wandte sich der Gläubiger im Wege der sofortigen Beschwerde. Diese wurde vom Landgericht Koblenz mit Beschluss vom 06.06.2024 (LG Koblenz, Beschl. v. 06.06.2024 – 2 T 36/24) zurückgewiesen. Das Landgericht stellt sich – einer Mindermeinung (s.o.) innerhalb der Rechtsprechung folgend – auf den Standpunkt, dass die Belegeinsicht nach § 18 Abs. 4 WEG über § 883 ZPO zu vollstrecken gewesen wäre und entzieht sich hierdurch der vorstehenden Fragestellung bedauerlicherweise.
E. Fazit
Wenn die Vornahme einer unvertretbaren organschaftlichen Pflicht tituliert wurde, muss diese auch gegenüber dem zur Handlung verpflichteten Organ vollstreckbar sein, um überhaupt vollstreckbaren Rechtsschutz zu gewährleisten. So kann der nach altem Recht bestehende Direktanspruch gegenüber dem Verwalter zumindest im Rahmen der Zwangsvollstreckung gegen den zum Tätigwerden Verpflichteten durchgesetzt werden (Dötsch/ Schultzky/ Zschieschack in WEG-Recht 2021, Kapitel 14, Rn. 155; Bärmann, 15. Aufl. 2023, WEG, § 18, Rn. 154). Die Schließung dieser – durch die WEMog-Reform verursachten – Rechtsschutzlücke durch den Gesetzgeber wäre wünschenswert. Zwingend erforderlich ist sie jedoch nicht, denn dogmatische Anknüpfungspunkte existieren, wenngleich sich die Gerichte im Rahmen erster Entscheidungen noch ablehnend gezeigt haben. Die dargestellte Problematik wird dem Landgericht jedoch absehbar in anderem Gewand erneut begegnen. Ob der gebotene Kurswechsel dann vorgenommen wird bleibt abzuwarten.
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