Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht

Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht: Was Sie wissen müssen – Chancen, Risiken und wichtige Tipps

In der Praxis der Arbeitswelt kommt es immer wieder vor, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer darauf verständigen, das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung, sondern durch einen sogenannten Aufhebungsvertrag zu beenden. Diese einvernehmliche Regelung kann auf den ersten Blick viele Vorteile bieten, etwa Schnelligkeit, Planbarkeit und die Vermeidung eines arbeitsgerichtlichen Streits. Doch ein Aufhebungsvertrag ist keineswegs völlig risikofrei. Gerade für Arbeitnehmer können sich erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Nachteile ergeben.

Dieser Beitrag beleuchtet, was ein Aufhebungsvertrag rechtlich bedeutet, welche Folgen er haben kann und worauf beide Seiten achten sollten, bevor sie eine Unterschrift leisten.

Was ist ein Aufhebungsvertrag – und wie unterscheidet er sich von einer Kündigung?

Ein Aufhebungsvertrag ist ein schriftlicher Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. In diesem wird gemeinsam festgelegt, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt endet. Anders als bei einer Kündigung ist hier also keine einseitige Entscheidung möglich. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer müssen dem Vertrag zustimmen.

Diese einvernehmliche Lösung bietet viel individuellen Gestaltungsspielraum. Zum Beispiel können Abfindungen, Freistellungen oder die Inhalte des Arbeitszeugnisses geregelt werden. Gleichzeitig wird durch den Vertrag auf eine Kündigung und damit meist auch auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet. Eventuell können sich zudem weitere Ansprüche aus einem Aufhebungsvertrag ergeben (z.B. ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot).

 

Form und rechtliche Anforderungen

Der Aufhebungsvertrag muss nach § 623 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) schriftlich geschlossen werden. Eine mündliche Abrede oder eine Vereinbarung per E-Mail ist nicht ausreichend und ungültig. Der Vertrag muss vielmehr im Original und von beiden Seiten unterschrieben werden.

Neben dieser Formvorgabe gelten auch allgemeine Grundsätze des Zivilrechts. Hier sind insbesondere § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) und § 242 BGB (Treu und Glauben) zu berücksichtigen.

Ein Vertrag kann nach § 138 BGB nichtig sein, wenn er sittenwidrig ist. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer massiv unter Druck setzt, etwa mit der Drohung einer fristlosen Kündigung, ohne dass für eine solche eine rechtliche Grundlage existiert. Auch wenn der Vertrag stark einseitig ist und der Arbeitnehmer stark benachteiligt wird, kann dies zur Unwirksamkeit führen.

242 BGB verpflichtet beide Seiten, fair und rücksichtsvoll miteinander umzugehen. Das Bundesarbeitsgericht hat daraus das sogenannte Gebot fairen Verhandelns entwickelt. Danach dürfen Arbeitgeber keine unfairen Mittel einsetzen, um einen Aufhebungsvertrag durchzusetzen. Wird der Arbeitnehmer z. B. unter Zeitdruck gesetzt oder psychisch unter Druck gestellt, kann der Vertrag anfechtbar oder sogar unwirksam sein. Demnach kann unter vorgenannten Umständen auch ein bereits unterschriebener Aufhebungsvertrag eventuell keine Wirkung entfalten.

Ein typisches Beispiel: Der Arbeitnehmer wird in ein überraschendes Gespräch gebeten, ohne Vorwarnung, und soll sofort unter Drohung des Arbeitgebers unterschreiben.

Gefahr einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld

Häufig wissen Arbeitnehmer nicht, dass ein Aufhebungsvertrag zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führen kann. Die Agentur für Arbeit geht bei Aufhebungsverträgen oft davon aus, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitslosigkeit selbst verursacht hat.

Laut § 159 SGB III kann das zu einer Sperrzeit von bis zu zwölf Wochen führen. In dieser Zeit erhalten Sie kein Arbeitslosengeld I. Auch der Anspruch insgesamt kann sich dadurch verkürzen.

Eine Sperrzeit kann vermieden bzw. verkürzt werden, wenn ein sogenannter „wichtiger Grund“ vorliegt. Das kann zum Beispiel in folgenden Fällen einschlägig sein:

  • Dem Arbeitnehmer wäre ohnehin aus betrieblichen Gründen gekündigt worden.
  • Der Aufhebungsvertrag verhindert eine rechtmäßige Kündigung.
  • Die Kündigungsfrist wurde eingehalten.

Tipp: Klären Sie vorab mit der Agentur für Arbeit oder mit einem Anwalt, ob in Ihrem Fall eine Sperrzeit droht. Das kann spätere böse und eventuell teure Überraschungen vermeiden.

Was sollte in einem Aufhebungsvertrag geregelt sein?

Ein Aufhebungsvertrag kann sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Je klarer und vollständiger er formuliert ist, desto besser.

Folgende Punkte sollten in jedem Fall geklärt werden:

  • Beendigungsdatum: Es sollte klar geregelt werden, wann das Arbeitsverhältnis endet. Idealerweise entspricht das Datum der regulären Kündigungsfrist, um Sperrzeiten zu vermeiden.
  • Abfindung: Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung. Dennoch wird sie oft angeboten, um den Vertrag attraktiver zu machen. Die Höhe ist Verhandlungssache und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ein grober Richtwert ist: ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr, wobei die konkrete Höhe individuell festgelegt wird.
  • Urlaub und Überstunden: Wie wird mit offenen Urlaubsansprüchen oder Überstunden umgegangen? Werden sie abgegolten oder vorher genommen?
  • Freistellung: Oft wird der Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt. Wichtig ist, ob die Freistellung widerruflich oder unwiderruflich ist – und ob Urlaubsansprüche dadurch verbraucht werden.
  • Zeugnis: In vielen Fällen wird die Art des Zeugnisses schon im Vertrag geregelt. Achten Sie darauf, dass es als „wohlwollend“ oder „qualifiziert“ bezeichnet wird.
  • Rückgabe von Firmeneigentum: Auch Dinge wie Laptop, Handy oder Schlüssel sollten geregelt sein. Was muss wann zurückgegeben werden?

Tipp: Fragen Sie nach einem Vertragsentwurf zur Prüfung. Bestehen Sie auf einer angemessenen Bedenkzeit – und lassen Sie sich beraten, bevor Sie unterschreiben.

Chancen und Risiken – was überwiegt?

Für Arbeitgeber ist ein Aufhebungsvertrag meist ein praktisches Mittel, um Streit zu vermeiden. Sie erhalten Planungssicherheit und umgehen ein mögliches zeit- und kostenintensives Kündigungsschutzverfahren.

Arbeitnehmer können über eine Abfindung, ein gutes Zeugnis oder eine Freistellung mitverhandeln. Zudem umgehen auch sie somit ein mögliches zeit- und kostenintensives Kündigungsschutzverfahren.

Allerdings geben Arbeitnehmer mit der Unterschrift unter den Vertrag in der Regel mehrere Rechte auf. Dazu zählen:

  • Die arbeitsgerichtliche Überprüfung durch eine Kündigungsschutzklage
  • Kündigungsfristen
  • Sonderkündigungsschutz (z. B. bei Schwangerschaft oder Schwerbehinderung)

Besonderheiten bei Auszubildenden und im öffentlichen Dienst

Nicht alle Arbeitnehmergruppen können einen Aufhebungsvertrag ohne Weiteres abschließen. Gerade bei Auszubildenden und Beschäftigten im öffentlichen Dienst gelten teils besondere Voraussetzungen.

Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) sieht für die Beendigung eines Ausbildungsverhältnisses bestimmte Formen vor. Während in der Probezeit jederzeit ohne Frist gekündigt werden kann, ist danach eine Kündigung nur noch aus wichtigem Grund oder durch den Auszubildenden mit Frist möglich (§ 22 BBiG).

Ein Aufhebungsvertrag ist aber auch hier grundsätzlich zulässig. Allerdings darf er nicht dazu führen, dass der Auszubildende unangemessen benachteiligt wird. In der Praxis sollten solche Verträge nur in gut begründeten Fällen geschlossen werden, etwa wenn der Auszubildende die Ausbildung nicht fortsetzen möchte oder eine berufliche Neuorientierung anstrebt.

Auch bei Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst ist ein Aufhebungsvertrag möglich, unterliegt aber besonderen internen Regeln. Grundlage ist meist der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD bzw. TV-L). Zwar enthält dieser keine ausdrücklichen Vorschriften zum Aufhebungsvertrag, doch sind die strukturellen Besonderheiten zu beachten. Häufig spielen betriebliche Interessen, Personalratspflichten oder Versorgungsgesichtspunkte eine Rolle, z.B. bei Angestellten, die in Richtung Ruhestand wechseln.

Zudem können beamtenrechtliche Regelungen betroffen sein, sofern der Beschäftigte verbeamtet ist – denn für Beamte ist ein Aufhebungsvertrag im klassischen Sinne nicht vorgesehen. Hier wäre ein Antrag auf Entlassung erforderlich.

Tipp: Wer im öffentlichen Dienst arbeitet oder eine Ausbildung absolviert, sollte sich vor Abschluss eines Aufhebungsvertrags besonders gut beraten lassen. Es empfiehlt sich, die tariflichen, gesetzlichen oder beamtenrechtlichen Vorgaben genau zu prüfen. Hier kann ein unbedachter Schritt nicht unerhebliche rechtliche Folgen haben.

Fazit: Gut überlegen – und im besten Fall professionell beraten lassen

Ein Aufhebungsvertrag kann eine sinnvolle Lösung sein, wenn beide Seiten wirklich an einer einvernehmlichen und fairen Trennung interessiert sind. Doch vor allem für Arbeitnehmer gilt: Eine voreilige Unterschrift kann schwerwiegende Folgen haben – von finanziellen Nachteilen bis hin zum Verlust wichtiger Rechte.

Lassen Sie sich daher nicht zu schnellen Entscheidungen drängen. Verlangen Sie Bedenkzeit. Und holen Sie im Zweifel juristischen Rat ein, bevor Sie unterschreiben. Die sorgfältige Abwägung aller Vor- und Nachteile sowie die Einbeziehung rechtlicher Beratung sind dabei unerlässlich, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Denn was einmal unterschrieben ist, lässt sich nur unter sehr engen Voraussetzungen wieder rückgängig machen.

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