Fristlose Kündigung

Fristlose Kündigung – Wann sie rechtlich zulässig ist und worauf es ankommt

Für Arbeitgeber ist sie das arbeitsrechtliche „Not-Aus“, für Arbeitnehmer oft ein Schock: die fristlose Kündigung. Anders als bei der ordentlichen Kündigung endet das Arbeitsverhältnis dabei mit sofortiger Wirkung, d.h. ohne Einhaltung von ordentlichen Kündigungsfristen. Dies klingt drastisch und ist es auch. Gleichzeitig gilt im Gegenzug allerdings, dass eine fristlose Kündigung kein einfaches Mittel der Wahl ist, wenn es zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einfach „nicht mehr passt“. Eine fristlose Kündigung ist nur dann wirksam, wenn strenge gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sind. Arbeitgeber, die hier unsauber arbeiten, riskieren unter Umständen ein teures und zeitintensives Gerichtsverfahren. Arbeitnehmer wiederum sollten eine fristlose Kündigung nicht ungeprüft hinnehmen. Dieser Beitrag erläutert wann eine fristlose Kündigung zulässig ist und was zu beachten ist.

Wann darf fristlos gekündigt werden? Der „wichtige Grund“ nach § 626 BGB

Zentrale Voraussetzung für jede fristlose Kündigung ist ein sogenannter „wichtiger Grund“. Dieser ergibt sich aus § 626 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) und liegt vor, wenn Tatsachen vorliegen, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist, unzumutbar machen. Es geht also nicht nur um Pflichtverletzungen, sondern um solche, bei denen das Vertrauen zwischen den Parteien nachhaltig und tiefgreifend zerstört ist.

(ErfK/Niemann BGB § 626 Rn. 14-23)

Ein klassisches Beispiel wäre etwa ein Arbeitnehmer, der Arbeitszeitbetrug begeht, in die Kasse greift oder wiederholt unentschuldigt fehlt. Doch auch grobe Beleidigungen, Tätlichkeiten, eigenmächtiger Urlaub oder die Weitergabe vertraulicher Daten können je nach Einzelfall einen wichtigen Grund darstellen. Der Maßstab für einen wichtigen Grund iSd. §626 BGB ist streng. Es muss eine konkrete Interessenabwägung vorgenommen werden. Dabei stellt sich die Frage, ob dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, auch unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des Arbeitnehmers, die Weiterbeschäftigung noch zumutbar ist.

(LAG Düsseldorf, BeckRS 2007, 43849; NZA-RR 2002, 146)

Die Gerichte prüfen dies genau. So hat das Arbeitsgericht Hamburg beispielsweise eine fristlose Kündigung für unwirksam erklärt, weil der Arbeitnehmer seine Arbeit ordnungsgemäß angeboten hatte und eine Abmahnung als milderes Mittel völlig ausreichend gewesen wäre. Das Gericht stellte klar, dass das Interesse des Arbeitgebers die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar erscheinen ließ.

(ArbG Hamburg, BeckRS 2011, 149263, Entscheidungsgründe)

Nicht zu spät – Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB

Wer als Arbeitgeber eine fristlose Kündigung erwägt, muss zügig handeln. Das Gesetz räumt ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von den kündigungsrelevanten Tatsachen lediglich zwei Wochen Zeit ein. Diese Frist ist in § 626 Abs. 2 BGB geregelt und zwingend. Wird sie versäumt, ist die Kündigung allein aus diesem Grund unwirksam. Das gilt, selbst wenn der Kündigungsgrund an sich tragfähig für eine fristlose Kündigung gewesen wäre.

Die Frist beginnt nicht mit einem bloßen Verdacht, sondern erst dann, wenn der kündigungsberechtigten Person die maßgeblichen Umstände bekannt oder in zumutbarer Weise bekannt gemacht worden sind. In der Praxis empfiehlt es sich, alle Ermittlungsschritte sorgfältig zu dokumentieren, denn der Kündigungszeitpunkt kann im Streitfall entscheidend sein.

Die fristlose Kündigung als Ultima Ratio

Ein oft übersehener, aber zentraler Punkt ist das sogenannte Ultima-Ratio-Prinzip. Die fristlose Kündigung ist nur dann zulässig, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht, um die Pflichtverletzung zu ahnden oder das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. In der Regel bedeutet das, dass wenn eine Abmahnung geeignet gewesen wäre das Fehlverhalten zu korrigieren eine fristlose Kündigung unverhältnismäßig und damit rechtswidrig ist.

Die Rechtsprechung betont in vielen Entscheidungen, dass das Verhältnis zwischen Vertragsverstoß und Kündigung verhältnismäßig sein muss. So etwa in Fällen, in dem der Arbeitgeber die Kündigung auf eine Pflichtverletzung stützt, obwohl der Arbeitnehmer zuvor nicht abgemahnt worden ist.

(BAG v. 13.12.1984, 2 AZR 454/83,ArbG Bremen-Bremerhaven, BeckRS 2014, 67674)

Subjektive Unzumutbarkeit – wenn der Arbeitgeber selbst zweifelt

Auch das Verhalten des Kündigenden selbst spielt eine Rolle. Die Gerichte prüfen, ob der Arbeitgeber subjektiv tatsächlich der Auffassung war, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Gibt er durch sein Verhalten, also etwa durch Weiterbeschäftigung oder Gesprächsangebote, zu erkennen, dass die Situation nicht „akut unzumutbar“ war, kann dies gegen die Wirksamkeit der Kündigung sprechen.

In einem Fall, indem der Arbeitgeber trotz schwerwiegender Vorwürfe den Arbeitnehmer zunächst weiter im Betrieb beschäftigte, wurde die subjektive Unzumutbarkeit abgelehnt. Das LAG Berlin-Brandenburg stellte dazu fest:

Ein Arbeitgeber kann keine fristlose Kündigung aussprechen, wenn er selbst zu erkennen gibt, dass er die Fortsetzung der Zusammenarbeit bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht als unzumutbar betrachtet.
(LAG Berlin-Brandenburg, Gravenhorst, NZA-RR 2018, 651)

Ein solches Verhalten untergräbt regelmäßig die Annahme eines wichtigen Grundes und lässt somit keinen Raum für eine fristlose Kündigung.

Form, Formalien und Betriebsratsanhörung

Auch wenn ein Kündigungsgrund vorliegt, können formale Fehler jede Kündigung zu Fall bringen. Besonders häufig scheitert es an der Schriftform (§ 623 BGB). Die Kündigung muss im Original und eigenhändig unterschrieben zugehen. Demnach ist eine E-Mail, ein Fax oder eine SMS nicht ausreichend.

Existiert ein Betriebsrat, muss dieser zwingend vor Ausspruch der Kündigung angehört werden (§ 102 BetrVG). Die Anhörung muss inhaltlich vollständig sein, d. h. die Vorwürfe müssen konkret dargestellt werden. Eine nur allgemeine oder verkürzte Information ist ebenso unwirksam wie das vollständige Unterlassen der Anhörung.

(Weber kompakt, Kündigungsschutz für Arbeitnehmer)

Besonderer Kündigungsschutz und zusätzliche Hürden

Einige Arbeitnehmergruppen genießen besonderen Kündigungsschutz. Das betrifft z. B. Schwangere, Schwerbehinderte, Elternzeitler und Betriebsratsmitglieder. Eine Kündigung in diesen Fällen ist nur unter besonderen gesetzlichen Voraussetzungen und in vielen Fällen nur mit Zustimmung der zuständigen Behörde zulässig. Bei Schwerbehinderten etwa muss das Integrationsamt der Kündigung vorab zustimmen. Diese Verfahren benötigen Zeit, was wiederum mit Blick auf die Zwei-Wochen-Frist nach § 626 Abs. 2 BGB zum Problem werden kann.

Für tariflich unkündbare Arbeitnehmer kommt in seltenen Fällen eine sogenannte „außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist“ in Betracht. Z. B. bei massiven Störungen des Arbeitsverhältnisses. Auch das setzt jedoch eine sorgfältige Einzelfallprüfung voraus.

(NZA 2000, 421; Weber kompakt, Kündigungsschutz für Arbeitnehmer)

Fazit

Die fristlose Kündigung ist das schärfste Mittel im Arbeitsrecht. Dies macht es aber eben auch zu einer der anfälligeren Kündigungen für rechtliche Fallstricke. Wer sie rechtswirksam aussprechen will, muss ihre Voraussetzungen sauber prüfen, dokumentieren und einhalten. Dabei geht es nicht nur um objektive Pflichtverstöße, sondern auch um Verhältnismäßigkeit, das Verhalten des Kündigenden selbst und formale Standards wie Schriftform und Betriebsratsanhörung. Arbeitnehmer wiederum sollten wissen, dass eine fristlose Kündigung nicht „automatisch wirksam“ ist. Sie kann unter oben dargestellten Umständen oftmals angreifbar sein. Eine rechtzeitige Prüfung durch einen spezialisierten Anwalt lohnt sich folglich in den meisten Fällen.

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