Der Fall
Eine 49-jährige Arbeitnehmerin ist in einer Drei-Tage-Woche in Teilzeit tätig. Ihr stehen nach dem Arbeitsvertrag pro Jahr umgerechnet 14 Arbeitstage Urlaub zu. Im Jahr 2020 wurde wegen der Coronapandemie von April bis Dezember wiederholt „Kurzarbeit Null“ angeordnet. In den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 bestand diese durchgehend. Der Arbeitgeber meinte, er habe mit 11,5 Tagen den Urlaubsanspruch der Mitarbeiterin voll erfüllt. Dies, weil in den Monaten der „Kurzarbeit Null“ die Arbeitnehmerin nicht verpflichtet gewesen sei zu arbeiten. Sie habe deshalb auch keine Urlaubsansprüche erworben. Die Arbeitnehmerin klagte auf den vollen Urlaub. Sie verlangte weitere 2,5 Tage Urlaub. Den Urlaubsanspruch habe der Arbeitgeber nicht wegen ihrer Kurzarbeit kürzen dürfen. Als Gründe führte sie an, dass die konjunkturbedingte Kurzarbeit im Interesse des Arbeitgebers erfolge und nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers. Zudem könne man „Kurzarbeit Null“ nicht mit Freizeit gleichsetzen. Beschäftigte hätten während der Kurzarbeit Meldepflichten, zudem könne der Arbeitgeber die Kurzarbeit kurzfristig vorzeitig beenden, sodass es Arbeitnehmenden nicht möglich sei, die freie Zeit zu verplanen.
Die Entscheidung des BAG
(Urteil vom 30. November 2021, Az: 9 AZR 225/21; Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 3. Mai 2021, Az: 9 Sa 1/21)
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschied, dass die Mitarbeiterin für die Monate Juni, Juli und Oktober, in denen sie sich durchgehend in „Kurzarbeit Null“ befand, keine Urlaubsansprüche gemäß § 3 BurlG erworben hat. Damit stehe ihr der Jahresurlaub 2020 nur anteilig in gekürztem Umfang zu. Der Arbeitgeber sei berechtigt für jeden vollen Monat der „Kurzarbeit Null“ den Urlaub um 1/12 kürzen. Demnach habe er den Jahresurlaub vorliegend sogar um 3,5 Arbeitstage kürzen dürfen.
Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage seien weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen.
Das Gericht verwies auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, nach der während „Kurzarbeit Null“ der europäische Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG nicht entsteht.
Die Entscheidung kommt nicht überraschend. So hatte bereits die Vorinstanz, das LAG Düsseldorf, die EuGH-Argumentation aufgegriffen und darauf hingewiesen, dass diese auf die streitgegenständlichen Fälle übertragbar sei. Im Vergleich hierzu enthalte das deutsche Recht keine günstigere Regelung: Es existiere weder eine spezielle Regelung für Kurzarbeit, noch ergebe sich etwas anderes aus den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes. Insbesondere sei „Kurzarbeit Null“ nicht mit dem Fall einer Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen. Auch der Umstand, dass der Anlass für Kurzarbeit vorliegend die Coronapandemie war, ändere nach Überzeugung des Gerichts nichts an der vorgenannten Argumentation. Der Umstand, dass die Kurzarbeit durch eine wirksame Betriebsvereinbarung eingeführt wurde, führt nicht zu einem anderen Ergebnis:
Hierzu urteilte das BAG in einer weiteren Entscheidung, dass die oben aufgeführten Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn die Kurzarbeit wirksam aufgrund einer Betriebsvereinbarung eingeführt wurde (Urteil vom 30. November 2021, Az: 9 AZR 234/21; Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 3. Mai 2021, Az: 9 Sa 1/21).
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