Der Abfindungsanspruch, der aufgrund der Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils besteht, ist nicht mit dem erhöhten Zinssatz von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen
Anmerkungen zu OLG Koblenz, Beschluss vom 27.12.2017, 6 U 1141/17
A. Problemstellung
Scheidet ein GmbH-Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, kommt es häufig zum Streit über die Höhe der ihm zustehenden Abfindung. Gerichtliche Auseinandersetzung hierüber nehmen häufig lange Zeit in Anspruch, insbesondere, wenn über die Höhe der Abfindung noch Gutachten eingeholt werden müssen. Die Höhe der Verzinsung des Abfindungsanspruches spielt daher eine wichtige Rolle. Es stellt sich daher die Frage, ob der Abfindungsanspruch mit 9 Prozentpunkten oder lediglich mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist. Der vorliegende Beschluss setzt sich mit der Frage auseinander, ob der Abfindungsanspruch eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB darstellt
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Geschäftsanteile eines GmbH-Gesellschafters wurden eingezogen. Die Satzung der Gesellschaft sah die Einziehung unter bestimmten Voraussetzungen vor, die im Streitfalle vorlagen. Die Abfindung wurde nicht zum Fälligkeitszeitpunkt an den ausgeschiedenen Gesellschafter gezahlt, da sich die Parteien über die Höhe der Abfindung stritten. Der ausgeschiedene Gesellschafter forderte die Verzinsung des Abfindungsanspruches mit 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 288 Abs. 2 BGB n.F.. Das LG Koblenz 2 HKO 14/16 sprach dem Kläger lediglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu; hiergegen legte der Kläger Berufung ein.
Nach der vorliegenden Entscheidung hat der Senat beschlossen, die Berufung im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Zu Recht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass der Abfindungsanspruch nicht mit dem erhöhten Zinssatz von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sei, weil der Abfindungsanspruch keine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB n.F. darstelle.
Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 2010, 1872) liege eine Entgeltforderung nur dann vor, wenn die Geldforderung die Gegenleistung für eine von dem Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung sei. Der Abfindungsanspruch stünde jedoch nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis zu dem Verzicht auf den Geschäftsanteil im Fall von dessen Einziehung, denn der Abfindungsanspruch existiere aufgrund eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes in Analogie zu § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB auch dann, wenn er im Gesellschaftsvertrag nicht geregelt sei (vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34, Rdnr. 22 m.w.N.).
Der Abfindungsanspruch stelle ein Grundmitgliedschaftsrecht des Gesellschafters dar und bestünde auch dann, wenn sich der Abfindungsanspruch nicht aus der Satzung ergäbe. Die Einräumung des Sonderrechtes der Einziehung in der Satzung erfolge daher nicht „im Gegenzug“ zum Abfindungsanspruch, also nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis
C. Kontext der Entscheidung
Das OLG Koblenz ist in seiner Entscheidung von denselben Erwägungen ausgegangen wie bereits das OLG Karlsruhe in seinem Urteil vom 23.03.2005 (MDR 2006, 101) sowie der BGH in seiner späteren Entscheidung vom 21.04.2010 (NJW 2010, 1872). Beiden Entscheidungen vorangestellt ist der Leitsatz, dass eine Entgeltforderung i.S.d. § 288 Abs. 2 BGB nur dann vorliegt, wenn die Geldforderung die Gegenleistung für eine vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung darstellt. Dies wird in beiden Entscheidungen hergeleitet aud der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.06.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und aus der Entstehungsgeschichte von § 288 Abs. 2 BGB. Die Auffassung des OLG Karlsruhe wird auch in der Literatur geteilt (vgl. etwa Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 286, Rdnr. 27; Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB (2014), § 286, Rdnr. 97)
D. Auswirkungen für die Praxis
Das OLG Koblenz hat sich zur Rechtsnatur des Abfindungsanspruches deutlich positioniert. Er gehört zu den Grundmitgliedsrechten eines Gesellschafters. Ein Ausschluss im Gesellschaftsvertrag ist grundsätzlich sittenwidrig i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB und nur in Ausnahmefällen zulässig. Dem Abfindungsanspruch kommt körperschaftlicher Charakter zu, weil er die gegenwärtigen und künftigen Gesellschafter betrifft und auch für Gesellschaftsgläubiger von Bedeutung ist (vgl. BGH ZIP 2011, 2357 Rdnr. 8). Zwischen dem Abfindungsanspruch und den Satzungsregelungen zur Einziehung besteht keine synallagmatische Verknüpfung; nach § 34 Abs. 2 GmbHG bedürfen lediglich die Voraussetzungen, unter denen eine Einziehung von Geschäftsanteilen ohne Zustimmung des Anteilsberechtigten erfolgen kann, einer Regelung im Gesellschaftsvertrag, nicht hingegen der aus der Einziehung des Geschäftsanteils resultierende Abfindungsanspruch.
Autor: RA Stefan Schwarz – Fachanwalt für Arbeitsrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Sportrecht
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