Sind Whistleblower in Ihrem Unternehmen geschützt? Handlungsbedarf für Arbeitgeber: Das Hinweisgeberschutzgesetz muss umgesetzt werden. Für Betriebe mit 50-249 Beschäftigen ist der 17.12.2023 die Frist zur Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG). Für Betriebe mit über 249 Beschäftigten war die Frist zur Umsetzung der 02.07.2023.
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Das Thema ist also akut. Daher hier ein Überblick zu den wesentlichen Regelungen des HinSchG in der am 11./12.5.2023 beschlossenen Fassung:
a) Anwendungsbereich
Das HinschG ist anzuwenden bei Meldungen und Offenlegungen der Mitarbeitenden von Verstößen gegen Straf- und Bußgeldvorschriften sowie gegen ausgewählte Landes-, Bundes- und europarechtliche Vorschriften nach § 2 HinSchG.
Erfasst sind auch missbräuchliche Handlungen, die zwar formal rechtmäßig sein mögen, jedoch dem Ziel oder dem Zweck der Vorschriften zuwiderlaufen, § 3 Abs. 2 Satz 2 HinSchG.
Damit geht das Hinweisgeberschutzgesetz sachlich über die europäische Richtlinie hinaus, denn diese erfasst nur Verstöße gegen das europäische Recht erfasst.
Nicht vom HinSchG erfasst sind Meldungen über Verstöße gegen interne Compliance-Richtlinien. Den Beschäftigungsgebern (die ist die Bezeichnung nach § 3 Abs. 9 HinSchG für den Begriff „Arbeitgeber“) steht es dennoch frei, Meldungen von Compliance-Verstößen an die Meldestelle zu ermöglichen. Allerdings greifen die Schutzmechanismen des Gesetzes bei Verstößen gegen Compliance-Richtlinien allein nicht. Das ist nur der Fall, wenn die Compliance-Vorschriften sich inhaltlich mit Verstößen i.S.v. § 2 HinSchG überschneiden.
Gem. § 3 Abs. 3 HinSchG müssen die gemeldeten Verstöße beim Beschäftigungsgeber oder einer anderen Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich im Kontakt stand, begangen worden oder zu erwarten sein.
Gem. § 1 Abs. 1 HinSchG ist der Anwendungsbereich des HinSchG auf natürliche Personen beschränkt, die im beruflichen Kontext Informationen über Verstöße erlangt haben.
b) Interne und externe Meldung
Im HinSchG ist keine Pflicht normiert, sich zunächst an eine interne Meldestelle zu wenden. Als Kompromiss wurde allerdings § 7 Abs. 1 Satz 2 HinSchG eingefügt: In Fällen, in denen wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und keine Repressalien zu befürchten sind, soll bevorzugt eine interne Meldung erfolgen. Zudem sollen Beschäftigungsgeber nach dem schon durch den Rechtsauschuss eingebrachten § 7 Abs. 3 HinSchG Anreize schaffen, damit sich hinweisgebende Personen zunächst an eine interne Meldestelle wenden.
Schlussendlich bleibt es beim Wahlrecht des Arbeitgebers zwischen interner und externer Meldung. Der Gesetzgeber hat allerdings deutlich gemacht, dass er der internen Meldung den Vorzug einräumt.
Arbeitgeber tun gut daran, schnell ein effektives Hinweisgebersystem zu implementieren.
Empfohlen wird, dass Arbeitgeber vertraglich oder kraft seines Direktionsrechts eine Meldepflicht bei den internen oder externen Meldestellen einführen, wobei u.a. aus den oben genannten Gründen (Absicht des Gesetzgebers), die interne Meldestelle den Vorzug verdient. Auch scheint kaum möglich, dass eine externe Meldestelle ohne Informationen seitens der Mitarbeitenden des Unternehmens die gemeldeten Verstöße zielführend bearbeiten könnte.
Die Einrichtung der Meldestelle (extern/intern) unterliegt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, denn das BAG hat die Mitbestimmung bei der Einführung von Meldepflichten im Rahmen von Whistleblowing-Systemen schon früher bejaht. Entsprechendes gilt bei der verbindlichen Regelung von Meldewegen.
Die nähere Ausgestaltung und Besetzung einer internen Meldestelle hingegen ist mitbestimmungsfrei, da sie die Organisation des Betriebs und nicht das Ordnungsverhalten betrifft. Den Arbeitnehmern wird damit lediglich ein Angebot unterbreitet, ohne sie zur Nutzung der Meldestelle zu verpflichten.
c) Anonyme Meldung
Unternehmen sind ausdrücklich nicht verpflichtet , ihre Meldekanäle so zu gestalten, dass anonyme Meldungen ermöglicht werden, § 16 Abs. 1 Satz 5 HinSchG.
Die Einrichtung von Meldekanälen mit anonymer Meldemöglichkeit hat aus Sicht des Arbeitgebers trotz einer gewissen Missbrauchsgefahr Vorteile. Die Bereitschaft der Beschäftigten zur Meldung von Missständen dürfte bei möglicher Anonymität steigen.
Wichtig! Anonymität ist nicht mit Vertraulichkeit gleichzusetzen. Auch bei einer nicht anonymisierten Meldung dürfen die Identität der hinweisgebenden Person und der Inhalt der Meldung nur den zuständigen Personen der Meldestelle bekannt gegeben werden, § 8 HinSchG. Ansonsten droht ein Bußgeld gem. § 40 Abs. 3 HinSchG und ein Schadensersatzanspruch nach Art. 6, 82 DSGVO und § 823 BGB.
d) Unterschied zwischen Meldekanal und Meldestelle
Das Hinweisgeberschutzgesetz verwendet neben dem Begriff „Meldestelle“ auch das Wort „Meldekanal“. Dese Wörter hören sich zunächst sehr ähnlich an. Dahinter verbirgt sich jedoch ein großer Unterschied:
Grundsätzlich betreibt die interne Meldestelle den Meldekanal. Der Meldekanal beschreibt den technischen Weg, wie eine Meldung einer hinweisgebenden Person abgegeben werden kann. Nach dem HinSchG müssen Meldekanäle zumindest so ausgestaltet werden, dass die Meldung über den Meldekanal entweder mündlich (z.B. Hotline; Anrufbeantworter), durch persönliche Zusammenkunft, physisch (z.B. Briefkasten, E-Mail) oder über IT-gestützte Lösungen (digitale oder webbasierte Systeme) übermittelt werden kann. Den ersten Erfahrungen nach, entscheiden sich die Unternehmen am häufigsten für einen IT-gestützten Meldekanal. Hierfür spricht u.a., dass hierdurch die vom Hinweisgeberschutzgesetz und der Hinweisgeberschutzrichtlinie geforderte Vertraulichkeit der Meldungen und der Identität der Hinweisgeber besser gewährleistet werden kann, da interne IT-Administratoren im Gegensatz zu einer internen E-Mail-Adresse oder Hotline keinen Zugriff auf den IT-gestützten Meldekanal haben (dürfen). Mit der IT-gestützten Lösung ist im Gegensatz zu einem Anrufbeantworter oder einem persönlichen Treffen auch eine zuverlässige Eingangsbestätigung der Meldung an den Hinweisgeber gewährleistet.
e) Meldestelle
Von dem Meldekanal ist die Meldestelle zu unterscheiden. Interne Meldestellen sind intern eingerichtete und mit zuständigen Bearbeitern für die Meldungen betriebene Stellen bei den vom HinSchG Verpflichteten, also den Beschäftigungsgebern.
An diese internen Meldestellen können sich Hinweisgeber, d.h. Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben, zur Abgabe von Meldungen wenden.
Zu den Aufgaben einer Meldestelle gehört zum einen das Betreiben der Meldekanäle, über die die Meldungen abgegeben werden können. Zum anderen prüft die Meldestelle die Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldungen. Sie kontrolliert, ob eine Meldung begründet ist, ob also der eingegangene Hinweis hinreichend konkret und plausibel ist.
Die Meldestelle hat auch die Aufgabe, Folgemaßnahmen zu ergreifen. Als Folgemaßnahmen können interne Meldestellen insbesondere interne Untersuchungen bei dem Beschäftigungsgeber oder der Dienststelle durchführen sowie betroffene Personen und Arbeitseinheiten kontaktieren. Eine mögliche Folgemaßnahme kann zudem das Abschließen des Verfahrens aus Mangel an Beweisen sein. Außerdem können die internen Meldestellen das Verfahren an eine zustände Behörde zwecks weiterer Untersuchungen abgeben.
Die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle betrauten Personen müssen über die notwendigen Kompetenzen verfügen und bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig sein.
Sie können neben ihrer Tätigkeit für die interne Meldestelle andere Aufgaben und Pflichten beim Verpflichteten des HinSchG (also dem Beschäftigungsgeber) wahrnehmen und erfüllen dadurch beim Verpflichteten eine Doppelfunktion.
Es ist jedoch sicherzustellen, dass diese Doppelfunktion nicht zu Interessenkonflikten bei der Bearbeitung der Meldungen in der internen Meldestelle führt. Zudem sollten die betrauten Personen auch über die notwendige Fachkunde zur Entgegennahme und Bearbeitung von Meldungen zu Verstößen verfügen. Aus diesem Grund sind regelmäßig Leiter der Compliance- oder Personalabteilung, (Syndikus-)Rechtsanwälte oder Datenschutzbeauftragte, Auditverantwortliche oder ggf. auch Vorstandsmitglieder geeignete Personen für die Wahrnehmung der Aufgaben einer internen Meldestelle.
Alternativ zum Eigenbetrieb der internen Meldestelle kann diese auch von einem erfahrenen externen Dienstleister betrieben werden. Dies sieht das Gesetz explizit vor. Bei dieser wichtigen Entscheidung muss jedes Unternehmen und jede Dienststelle für sich den besten Weg finden.
Wie bereits oben unter b) erläutert, besteht bei der näheren Ausgestaltung und Besetzung der internen Meldestelle kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.
f) Beweislastumkehr
Folge einer Meldung ist, dass nach § 36 Abs. 2 HinSchG widerlegbar vermutet wird, dass eine nach einer Meldung oder Offenlegung erfolgte Benachteiligung eine verbotene Repressalie darstellt. Die Beweislastumkehr greift gem. § 33 HinSchG ein, wenn der Hinweisgebende eine Meldung gem. § 28 HinSchG erstattet oder eine Offenlegung gem. § 32 HinSchG vornimmt, hinreichend Grund zur Annahme hat, dass die Informationen der Wahrheit entsprechen, und die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich des HinSchG fallen oder bei denen der Hinweisgebende dies in verständiger Weise annehmen darf.
Eine weitere Voraussetzung ist, dass hinweisgebende Person aktiv geltend macht, die Benachteiligung infolge einer Meldung oder Offenlegung erlitten zu haben, § 36 Abs. 2 Satz 1 HinSchG.
Im Prozess wird der Hinweisgebende ohnehin meist geltend machen, die Benachteiligung infolge einer Meldung erlitten zu haben. Daher hat die Ergänzung praktisch keine Auswirkungen.
g) Keine Entschädigung immaterieller Schäden
Nicht mehr Bestandteil des Gesetzes ist der in den Gesetzesentwürfen ursprünglich vorgesehene Anspruch auf Entschädigung von immateriellen Schäden, die die hinweisgebende Person durch eine Meldung oder Offenlegung erleidet.
Die Streichung des Schmerzensgeldes könnte indes gegen die unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie verstoßen, denn die Mitgliedstaaten sind nach der Richtlinie verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass der durch die Repressalie entstandene Schaden im Einklang mit dem nationalen Recht vollständig wiedergutgemacht wird.
Die Entwicklung bleibt abzuwarten.
h) Ordnungswidrigkeit und Bußgeld
Der Bußgeldrahmen nach § 40 Abs. 6 HinSchG für folgende Ordnungswidrigkeiten beträgt maximal 50.000 €:
- Die Behinderung einer Meldung oder der anschließenden Kommunikation nach § 7 Abs. 2 HinSchG sowie der Versuch hierzu;
- das Ergreifen einer Repressalie entgegen § 36 Abs. 1 Satz 1, § 34 HinSchG sowie der Versuch hierzu;
- die Verletzung der gebotenen Vertraulichkeit entgegen § 8 Abs. 1 Satz 1 HinSchG.
Bezüglich der übrigen Ordnungswidrigkeiten im HinSchG bleibt es bei einem Bußgeld von max. 10.000 € bzw. 20.000 €.
Wird keine interne Meldestelle nach den gesetzlichen Vorgaben eingerichtet, ist dies ebenfalls mit maximal 20.000 € bußgeldbewährt (§ 40 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 6 HinSchG).
FAZIT
Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten mussten ihre Meldestellen bis zum Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes am 2.7.2023 eingerichtet haben; ansonsten droht ab sechs Monate nach Verkündung des HinSchG, also ab dem 2.1.2024, ein Bußgeld in Höhe von bis zu 20.000 €.
Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten haben bis zum 17.12.2023 Zeit, ihre Meldestellen entsprechend den gesetzlichen Vorgaben einzurichten.
Die Unternehmer sollten also prüfen, ob die oben dargestellten Vorgaben in ihrem Unternehmen umgesetzt sind. Sollte dies nicht der Fall sein, besteht akuter Handlungsbedarf!
Mitgeteilt von RA Kai Dumslaff – Fachanwalt für Arbeitsrecht –
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