Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ist nie ein einfacher Schritt, weder für den Arbeitgeber noch für den betroffenen Arbeitnehmer. Insbesondere wenn sich zwischen Kündigung und dem tatsächlichen Ende des Arbeitsverhältnisses eine längere Kündigungsfrist befindet, stellt sich regelmäßig die Frage: Muss der Arbeitnehmer bis zum letzten Tag weiterarbeiten? Oder darf, beziehungsweise muss er freigestellt werden?
Die sogenannte Freistellung nach Kündigung ist ein verbreitetes, aber juristisch anspruchsvolles Instrument. Arbeitgeber möchten mit einer Freistellung Spannungen vermeiden, sensible Informationen schützen oder organisatorisch reagieren. Arbeitnehmer wiederum stehen häufig plötzlich vor der Tatsache, von einem Tag auf den anderen nicht mehr zur Arbeit erscheinen zu sollen, häufig ohne genau zu wissen was das für ihre Rechte und Pflichten bedeutet.
In diesem Beitrag werden die wesentlichen arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen rund um die Freistellung nach Kündigung erläutert.
Die Bedeutung der Freistellung
Die Freistellung bezeichnet die einvernehmliche oder einseitige Anordnung, dass ein Arbeitnehmer von seiner Arbeitspflicht befreit wird und dies meist unter Fortzahlung der Bezüge. Sie kann bereits im Arbeitsvertrag geregelt sein oder im Zusammenhang mit einer Kündigung ausgesprochen werden. Ziel ist in der Regel, das Arbeitsverhältnis „im Guten“ auslaufen zu lassen, ohne dass es zu weiteren Konflikten im Arbeitsalltag kommt.
Allerdings ist eine Freistellung kein Selbstläufer. Juristisch betrachtet greift sie tief in das Arbeitsverhältnis ein. Sie berührt den grundrechtlich geschützten Anspruch auf Beschäftigung (Im Falle einer Beschäftigung, ein Recht auf Arbeit im Allgemeinen besteht nicht). Dieser Anspruch leitet sich unter anderem aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ab und kann nicht beliebig ausgehebelt werden.
(Stoffels AGB-R/Stoffels Rn. 1164)
Widerruflich oder unwiderruflich Freistellung
Wer freigestellt wird, sollte genau wissen, ob die Freistellung widerruflich oder unwiderruflich ausgesprochen wurde. Diese Unterscheidung ist kein rein formaler Unterschied, sondern kann nicht unerhebliche praktische Folgen haben.
Bei einer widerruflichen Freistellung behält sich der Arbeitgeber das Recht vor, den Arbeitnehmer jederzeit wieder zur Arbeit zu verpflichten, also etwa bei unerwartetem personellem Bedarf. Die Arbeitspflicht ist also nur „auf Abruf“ ausgesetzt. Anders ist dies bei der unwiderruflichen Freistellung geregelt. Hier ist die Arbeitspflicht für die verbleibende Vertragsdauer vollständig aufgehoben, der Arbeitnehmer muss nicht mehr mit einem Rückruf rechnen.
(ArbG Hannover, BeckRS 2023, 50762)
Urlaubsansprüche und Freistellung
Die Form der Freistellung ist insbesondere relevant für die Urlaubsanrechnung. Eine solche ist nur dann möglich, wenn die Freistellung unwiderruflich erfolgt und dies auch klar und unmissverständlich mitgeteilt wird. Immer wieder herrscht der Irrglaube, mit der Freistellung sei automatisch auch der restliche Urlaub „abgegolten“. Tatsächlich ist die Sache komplizierter. Ein Arbeitnehmer behält seinen Urlaubsanspruch auch während der Kündigungsfrist und kann verlangen, dass dieser entweder genommen oder ausgezahlt wird.
Soll der Urlaub durch Freistellung abgegolten werden, muss dies aus dem Freistellungsschreiben klar hervorgehen. Es reicht nicht, pauschal auf die „Anrechnung von Resturlaub“ zu verweisen. Der Urlaubszeitraum muss konkret bestimmbar sein (z.B. Der Urlaub wird ab Beginn der unwiderruflichen Freistellung gewährt; wenn der Urlaubszeitraum abgelaufen ist, beginnt die weitere unwiderrufliche Freistellung). Zudem muss dem Arbeitnehmer entweder die Urlaubsvergütung im Voraus gezahlt oder verbindlich zugesagt werden. Nur dann liegt eine rechtlich wirksame Urlaubserfüllung vor.
„Zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs muss der Arbeitnehmer erkennen können, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht freistellen will.“
(BAG, APNews 2015, 149)
Beschäftigungsanspruch
Auch wenn es in der Praxis häufig anders gehandhabt wird, dürfen Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht beliebig und ohne sachlichen Grund von der Arbeitspflicht entbinden. Der sogenannte Beschäftigungsanspruch bleibt grundsätzlich bestehen, solange das Arbeitsverhältnis formal fortbesteht, und zwar auch während der Kündigungsfrist.
Nur wenn dem Arbeitgeber konkrete, schutzwürdige Interessen gegenüberstehen, kann eine einseitige Freistellung rechtmäßig sein. Solche Interessen können etwa vorliegen, wenn das Vertrauensverhältnis zerstört ist, Betriebsgeheimnisse gefährdet sind oder konkrete Konflikte zu befürchten sind. Fehlt ein solcher Grund, kann der Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung sogar gerichtlich durchsetzen.
(LAG Köln, BeckRS 2011, 76820)
Vergütungspflicht trotz Freistellung
Ein weiterer verbreiteter Irrtum ist, dass mit der Freistellung auch die Pflicht zur Lohnzahlung entfällt. Das ist in der Regel falsch. Auch wenn der Arbeitnehmer nicht mehr arbeitet, bleibt der Arbeitgeber zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, zumindest bis zum Ende der Kündigungsfrist oder des Vertragsverhältnisses.
Ausnahmen gelten nur, wenn eine andere vertragliche Regelung getroffen wurde, wie es im Rahmen eines Aufhebungsvertrags der Fall sein kann, oder wenn der Arbeitnehmer seinerseits gegen vertragliche Pflichten verstößt. Ein fehlender Beschäftigungsbedarf auf Arbeitgeberseite allein rechtfertigt keine Zahlungseinstellung.
(BAG, BeckRS 2023, 42319, Leitsatz)
Arbeitsverweigerung während der Kündigungsfrist – ein riskanter Irrtum
Wird keine ausdrückliche Freistellung erklärt, bleibt der Arbeitnehmer grundsätzlich zur Arbeitsleistung verpflichtet, selbst wenn „alle im Betrieb wissen“, dass er ohnehin nicht mehr gebraucht wird. Wer in dieser Situation einfach nicht mehr zur Arbeit erscheint, riskiert mehr als nur eine Abmahnung.
Die Gerichte sprechen in solchen Fällen von einer beharrlichen Arbeitsverweigerung, also dem nachhaltigen und bewussten Verstoß gegen die Arbeitspflicht. Dies kann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen und sogar Schadenersatzforderungen gegen den verweigernden Arbeitnehmer auslösen. Zudem entfällt der Entgeltanspruch für die nicht geleistete Zeit, ohne dass es dem Arbeitnehmer möglich ist die nicht erbrachte Arbeit nachzuarbeiten und somit den Endgeltanspruch zu erhalten.
(BAG, NZA 2016, 417)
Was Arbeitnehmer tun sollten
Für Arbeitnehmer ist es entscheidend schriftlich Klarheit zu verlangen. Liegt keine eindeutige Freistellung vor, sollte die Arbeit weiterhin angeboten werden und zwar am besten nachweisbar, etwa durch schriftliche Mitteilung oder persönliches Erscheinen am Arbeitsplatz. Wer eigenmächtig „zu Hause bleibt“, handelt auf eigenes Risiko und muss mit den rechtlichen Konsequenzen leben.
Darüber hinaus sollten Betroffene prüfen (lassen), ob der Urlaubsanspruch korrekt berücksichtigt wurde. Unklare oder widersprüchliche Formulierungen in Freistellungsschreiben sind nicht selten und führen in der Folge häufig dazu, dass der Urlaub nicht wirksam gewährt wurde.
Ein Gespräch mit dem Arbeitgeber über das geplante weitere Vorgehen kann helfen Klarheit zu schaffen. Ist keine Einigung möglich, sollte frühzeitig juristischer Rat eingeholt werden, um etwaige Ansprüche prüfen zu lassen und die weitere Vorgehensweise zu erörtern.
Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber
Auch für Arbeitgeber lohnt sich eine sorgfältige Gestaltung der Freistellung. Freistellungen sollten stets schriftlich dokumentiert werden, idealerweise im Kündigungsschreiben selbst oder in einem separaten Schreiben. Dabei sind Formulierungen wichtig: Widerruflich oder unwiderruflich? Urlaubsanrechnung gewollt und wenn ja, wie viele Tage?
Wer hier unpräzise oder widersprüchlich agiert bzw. formuliert, riskiert doppelte Zahlungsverpflichtungen oder rechtliche Auseinandersetzungen. Zudem sollten Arbeitgeber stets prüfen, ob eine einseitige Freistellung wirklich notwendig ist. Wo es möglich ist, ist eine einvernehmliche Lösung oft die bessere Wahl.
Fazit: Klare Regeln für eine heikle Phase
Die Freistellung nach Kündigung ist ein rechtlich sensibles Instrument, das viele Fallstricke mit sich zieht, aber auch viele Chancen eröffnet Konflikte zu entschärfen. Wer eine Freistellung richtig einsetzt, schafft Ruhe, schützt Interessen und wahrt die Würde des Ausscheidens. Wer sie falsch einsetzt, riskiert finanzielle und rechtliche Nachteile, die unter Umständen in teuren gerichtlichen Streitigkeiten enden kann.
Arbeitnehmer sollten bei einer Freistellung nicht in Unsicherheit verharren, sondern aktiv prüfen (lassen), was ihnen zusteht sei es in Bezug auf Urlaub, Vergütung oder Zeugnis. Arbeitgeber wiederum sind gut beraten, die Freistellung rechtssicher und transparent gestalten (zu lassen) im Interesse aller Beteiligten.