Überstunden im Arbeitsrecht – was Sie wissen müssen

Überstunden im Arbeitsrecht – was Sie wissen müssen

Überstunden im Arbeitsrecht – was Sie wissen müssen

Überstunden sind für viele Arbeitnehmer ein fester Bestandteil des Berufslebens, doch die rechtlichen Rahmenbedingungen sind oft unklar. Wer ist zur Leistung von Überstunden verpflichtet? Wann und wie müssen sie vergütet werden? Und welche Rechte und Pflichten gelten für Teilzeitbeschäftigte? In diesem Beitrag beleuchten wir die wichtigsten Aspekte rund um das Thema Überstunden im deutschen Arbeitsrecht.

  1. Was versteht man unter Überstunden?

Überstunden liegen vor, wenn ein Arbeitnehmer über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeitet. Bei Vollzeitbeschäftigten bedeutet dies Arbeitszeiten, die über die übliche Wochenarbeitszeit hinausgehen, etwa 40 Stunden bei einer typischen Vollzeitstelle. Für Teilzeitkräfte sind Überstunden Zeiten, die über die vereinbarte individuelle Arbeitszeit hinausgehen.

  1. Gesetzliche Grundlagen für Überstunden

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) begrenzt die tägliche Arbeitszeit auf 8 Stunden (§ 3 ArbZG). Eine Verlängerung auf bis zu 10 Stunden ist nur zulässig, wenn die Mehrarbeit innerhalb von 6 Monaten ausgeglichen wird. Verstöße gegen diese Regelung können für Arbeitgeber Bußgelder oder strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Sonderfälle:

  • Jugendarbeitsschutz: Für Jugendliche gelten strengere Grenzen.
  • Schichtarbeit: Sonderregelungen für bestimmte Branchen wie Pflege oder Verkehr.
  1. Wann sind Überstunden zulässig?

Ob Arbeitnehmer zur Leistung von Überstunden verpflichtet sind, hängt von vertraglichen oder tariflichen Regelungen ab. Eine allgemeine Verpflichtung besteht nur, wenn eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wurde, z. B. im:

  • Arbeitsvertrag: Häufig enthalten Arbeitsverträge Klauseln, die Überstunden erlauben.
  • Tarifvertrag: Branchenabhängige Regelungen zu Mehrarbeit.
  • Betriebsvereinbarung: Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Auch in betrieblichen Notfällen, wie bei einer Produktionsstörung oder unvorhergesehenem Personalausfall, können Arbeitnehmer zur Mehrarbeit verpflichtet werden.

  1. Vergütung von Überstunden

Die Vergütung von Überstunden ist ein häufiger Streitpunkt. Grundsätzlich gilt: Ohne klare Regelung müssen Überstunden nach § 612 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) bezahlt werden, wenn sie vom Arbeitgeber angeordnet oder zumindest geduldet wurden. Die Vergütung von Überstunden richtet sich nach verschiedenen rechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen:

a) Rechtsgrundlagen: Die Vergütungspflicht für Überstunden kann sich aus einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung, einer tarifvertraglichen Verpflichtung oder aus § 612 Abs. 1 BGB ergeben, wonach eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Arbeitsleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

b) Anordnung oder Duldung: Überstunden müssen vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sein, um einen Vergütungsanspruch zu begründen. Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind.

c) Darlegungs- und Beweislast: Der Arbeitnehmer muss im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Der Arbeitgeber muss diesem Vortrag substantiiert entgegentreten. 

d) Vergütungserwartung: Eine Vergütungserwartung kann sich aus der Art der Dienstleistung, der Verkehrssitte oder aus bestehenden Tarifverträgen ergeben, die für vergleichbare Arbeiten eine Überstundenvergütung vorsehen. 

e) Transparenz von Regelungen: Vereinbarungen zur Abgeltung von Überstunden müssen klar und verständlich sein. Klauseln, die nicht hinreichend deutlich den Umfang der ohne zusätzliche Vergütung abzuleistenden Überstunden festlegen, können gegen das Transparenzgebot verstoßen und unwirksam sein (siehe hierzu sogleich unter 5.). 

f) Mindestlohngesetz: Mit Inkrafttreten des MiLoG muss die Monatsvergütung so bemessen sein, dass unter Berücksichtigung der pauschal mit abgegoltenen Überstunden der gesetzliche Mindestlohn gezahlt wird. 

Diese Rahmenbedingungen bestimmen, ob und in welchem Umfang Überstunden vergütet werden müssen.

Möglichkeiten der Vergütung:

  • Geldzahlung: Häufig wird ein Zuschlag auf den Stundenlohn gewährt, z. B. 25 % oder mehr. Die Höhe hängt oft von tariflichen oder betrieblichen Regelungen ab (siehe hierzu auch oben unter 4 d).
  • Freizeitausgleich: Alternativ kann Mehrarbeit durch zusätzliche Freizeit ausgeglichen werden. Dies setzt eine Regelung  im Arbeits- oder Tarifvertrag voraus.
  1. Pauschale Abgeltung von Überstunden

In vielen Arbeitsverträgen findet sich eine Klausel, die besagt, dass Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind. Solche Regelungen sind jedoch rechtlich nur unter strengen Voraussetzungen zulässig:

  • Klarheit und Transparenz: Der Arbeitsvertrag muss eindeutig regeln, wie viele Überstunden mit der pauschalen Vergütung abgedeckt sind. Eine pauschale Formulierung wie „mit der Vergütung sind alle Überstunden abgegolten“ ist unwirksam, da sie gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 BGB) verstößt.
  • Angemessenheit: Die vereinbarte Vergütung muss die erwartete Anzahl an Überstunden abdecken. Andernfalls können Arbeitnehmer Anspruch auf zusätzliche Vergütung haben.

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat mehrfach klargestellt, dass unklare Klauseln zugunsten der Arbeitnehmer auszulegen sind. Arbeitgeber sollten daher präzise formulieren, wie viele Überstunden in der Vergütung enthalten sind.

  1. Rechte von Teilzeitbeschäftigten

Teilzeitbeschäftigte dürfen nicht diskriminiert werden. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 5. Dezember 2024 (Az. 8 AZR 370/20) entschieden, dass Teilzeitkräfte Anspruch auf denselben Überstundenzuschlag haben wie Vollzeitkräfte. Eine Ungleichbehandlung verstößt gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz (§ 4 Abs. 1 TzBfG) und kann in Fällen, in denen überwiegend Frauen betroffen sind, auch gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen.

  1. Wann dürfen Arbeitnehmer Überstunden ablehnen?

Arbeitnehmer können Überstunden verweigern, wenn:

    1. Gesundheitliche Gründe: Überstunden können die Gesundheit beeinträchtigen.
    2. Fehlende rechtliche Grundlage: Keine vertragliche Regelung oder Anordnung durch den Arbeitgeber.
    3. Überschreitung gesetzlicher Grenzen: Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz (z. B. tägliche Höchstarbeitszeit).
  1. Dokumentation und Nachweis

Die Beweislast für geleistete Überstunden liegt beim Arbeitnehmer. Eine präzise Dokumentation (z. B. durch Stundenzettel oder elektronische Zeiterfassung) ist unerlässlich, um Ansprüche geltend zu machen.

  1. Handlungsempfehlungen

Für Arbeitnehmer:

  • Prüfen Sie Ihren Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag auf Regelungen zu Überstunden.
  • Dokumentieren Sie Ihre Arbeitszeiten sorgfältig, damit Sie später in der Lage sind, diese im Einzelnen vorzutragen.
  • Sorgen Sie für eine belegbare Anordnung von Überstunden, um spätere Ansprüche durchzusetzen zu können.

Für Arbeitgeber:

  • Regeln Sie Überstunden klar in Arbeitsverträgen.
  • Halten Sie gesetzliche und tarifliche Vorgaben ein.
  • Nutzen Sie moderne Zeiterfassungssysteme, um Transparenz zu schaffen.

Fazit

Überstunden sind rechtlich streng reguliert, um Arbeitnehmer vor Überlastung zu schützen. Klare vertragliche Regelungen und eine offene Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind der Schlüssel, um Konflikte zu vermeiden. Wenn Sie unsicher sind, welche Rechte und Pflichten Sie haben, ist es ratsam, rechtlichen Rat einzuholen.

Hinweis: Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Kontaktieren Sie bei Fragen einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Mitgeteilt von RA Kai Dumslaff – Fachanwalt für Arbeitsrecht –

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