25.02.2011 / OLG Koblenz: „Seniorengerecht“ ist nicht „barrierefrei“

Der Immobilienmarkt für Senioren-Wohnungen boomt. Von Verbrauchern und in der Presselandschaft werden Begriffe wie „seniorengerecht“, „altersgerecht“, „behindertengerecht“  und „barrierefrei“ meist einheitlich gedeutet. Doch hier ist Vorsicht geboten. Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz (Az. 10 U 1504/09) hat entschieden, dem Begriff „seniorengerecht“ sei keine bestimmte Eigenschaft oder Ausstattung einer Seniorenwohnung zu entnehmen.

Im konkreten Fall vereinbarte ein Kapitalanleger einen Bauvertrag über insgesamt vier Wohneinheiten, die vom Unternehmer in einem Werbeprospekt, einem Bauschild sowie auch in Werbeanzeigen mit der Eigenschaft „seniorengerecht“ beworben wurden. Das OLG folgt zunächst der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH): Auch die in Prospekten gemachten Versprechen können Vertragsinhalt werden. Als Beschaffenheitsvereinbarung könnten dabei jedoch nur solche Angaben angesehen werden, aus welchen sich eine bestimmte Eigenschaft oder Ausstattung entnehmen lässt. Dies sei – so jedenfalls das OLG – bei der Verwendung des Begriffs „seniorengerecht“ nicht der Fall. Aus diesem Begriff lassen sich nach Auffassung des Gerichts keine konkreten Ausstattungsmerkmale herleiten. Insbesondere teilte das Gericht nicht das Verständnis der Käufer, eine „seniorengerechte“ Wohnung müsse barrierefrei und mit einem Rollstuhl oder Rollator nutzbar sein. Der Begriff „seniorengerecht“ könne nicht mit dem Begriff „barrierefrei“ gleichgesetzt werden.

Folgerichtig blieben dem Erwerber Gewährleistungsrechte verwehrt, obwohl zwei der vier Wohnungen über Balkonaustrittsschwellen mit einer Höhe von über 20 cm verfügen, die von Senioren weder per Rollstuhl, noch per Rollator zu bewältigen sind.

Mein Tipp: Wer im Marktsegment der Seniorenwohnungen investiert, sollte den Bau-, bzw. Bauträgervertrag nebst Baubeschreibung vor der Unterschrift von einem Fachmann prüfen lassen. Wenn der Investor Wert darauf legt, die Wohneinheit im Alter uneingeschränkt auch mit Rollstuhl oder Rollator nutzen zu können, kann er sich auf die werbemäßige Anpreisung als „seniorengerecht“ nicht verlassen Er sollte im Vertrag konkret die Barrierefreiheit oder die Voraussetzungen vereinbaren, welche die DIN 18025-2 für barrierefreie Wohnungen vorsieht.

Autor: RA Christoph Schöll – Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Miet- und Wohnungseigentumsrecht

150 150 SSBP

Leave a Reply

Start Typing
Schöll Schwarz Breitenbach Rechtsanwälte PartGmbB hat 4,80 von 5 Sternen 156 Bewertungen auf ProvenExpert.com