Achtung Arbeitnehmer: Die Meldepflicht bleibt!
Die Einführung einer elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) ist für Mitte 2022 geplant. Unternehmen sind gut beraten, wenn sie sich schon jetzt auf die Umstellung bei der Krankschreibung vorbereiten. Arbeitnehmer sind gut beraten, wenn sie sich über die Hintergründe informieren.
- Was ändert sich und was gilt es zu beachten?
Ab 1. Juli 2022 müssen Arbeitnehmer ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht mehr beim Arbeitgeber vorlegen. Stattdessen werden die Krankenkassen verpflichtet, die entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsdaten elektronisch zur Verfügung zu stellen. Ursprünglich sollte dies bereits zum 1. Januar 2022 umgesetzt werden. Der Termin wurde auf den 1. Juli 2022 verschoben.
- Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Digital statt Papier
Zurzeit wird der Arbeitgeber noch über die ärztliche Krankschreibung des Arbeitnehmers informiert, indem dieser den sogenannten „ gelben Schein“ vorlegt oder per Post schickt. Die Einführung einer elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung soll die Unternehmen und Mitarbeitende künftig entlasten. Aber Achtung, der gelbe Schein wird auch zukünftig nicht ganz verschwinden.
Seit Oktober 2021 sind Ärzte bereits prinzipiell verpflichtet, die Krankschreibungen in einem elektronischen Verfahren an die Krankenkassen zu übermitteln.
- Digitale Übermittlung durch die Krankenkassen
Ab 1. Juli 2022 sollen die Arbeitgeber dann digital über Beginn und Dauer der Arbeitsunfähigkeit ihrer gesetzlich versicherten Arbeitnehmer informiert werden. Ebenso darüber, wann die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ausläuft. Die Krankenversicherung, die ohnehin die Daten durch den Arzt erhält, soll die AU-Daten zum Abruf bereitstellen.
- Abrufverfahren mit den Krankenkassen
Sofern der Arbeitgeber Kenntnis erlangt, dass der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin beim Arzt war und dieser eine Arbeitsunfähigkeit festgestellt hat, ist er berechtigt, die Daten bei der Krankenkasse abzurufen. Dieser Abruf soll mit dem Entgeltabrechnungsprogramm erfolgen. Die elektronischen Daten des Arztes, die bei der Krankenkasse vorliegen, sollen nach dem Abruf in elektronischer Form im Abrechnungsprogramm vorliegen.
- Digitale Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Umstellung in Unternehmen nötig
Durch den Wegfall des „gelben Scheins“ müssen Unternehmen ihre bisherigen Prozesse neu ordnen. Künftig müssen die Arbeitgeber auf Grundlage der Krankmeldung des Mitarbeitenden proaktiv die AU-Daten von der Entgeltabrechnung abrufen. Soweit der Mitarbeitende sich in der Produktionseinheit krankgemeldet hat, muss der Arbeitgeber Maßnahmen ergreifen, um diese Information zeitnah – und im Idealfall in elektronischer Form – zu erhalten und in der Abrechnung umsetzen.
Informationen zu dem Datenaustausch zwischen den Krankenkassen und den Arbeitgebern finden sich hier (Spitzenverband Bund der Krankenkassen, GKV – Spitzenverband):
https://www.gkv-datenaustausch.de/faq/faq.jsp
- Krankmeldung: Vorlagepflicht entfällt, Meldepflicht bleibt
Beschäftigte sind bisher gesetzlich verpflichtet ab dem dritten Tag ihrer Arbeitsunfähigkeit, dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Diese Pflicht der Beschäftigten entfällt ab dem 1.7.2022.
Was allerdings – zumindest vorerst – bleibt, ist eine Bescheinigung, welche die Beschäftigten vom Arzt erhalten, also eine Papierbescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit als gesetzlich vorgesehenes Beweismittel.
Außerdem haben Beschäftigte – wie bisher – die Pflicht, dem Arbeitgeber ihre Arbeitsunfähigkeit unverzüglich, also wenn möglich vor Arbeitsbeginn zu melden und diese ärztlich feststellen zu lassen.
- Achtung System störanfällig
Dieses Beweismittel in Form der Papierbescheinigung ist insbesondere dann wichtig, wenn im Verfahren ein Störfall vorliegt. Neben technischen Problemen – die absehbar sind – funktioniert das Verfahren z.B. nicht, wenn Beschäftigte aufgrund eines Krankenkassenwechsels beim Arzt die ungültige Chipkarte vorlegen.
Diese Störfälle sollen zwar durch optimale Rahmenbedingungen in den Arztpraxen vermieden werden. Dennoch sind die Arbeitgeber in diesen Fällen verpflichtet aufzuklären, aus welchem Grund der Abruf bei der Krankenkasse nicht funktioniert.
Beschäftigten ist bis auf weiteres dringend zu empfehlen, die Papierbescheinigung als Beweismittel bei dem Arzt einzufordern und für spätere Störfälle oder sonstige Unwägbarkeiten bereit zu halten!
- Keine eAU für privat krankenversicherte Beschäftigte
Arbeitgeber müssen in ihren Prozessen berücksichtigen, dass trotz der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung das bisherige Verfahren bei bestimmten Lebenssachverhalten weiter bestehen bleibt. Das neue Verfahren gilt nicht für privat krankenversicherte Beschäftigte.
Ebenso ist noch unklar, ob der Gesetzgeber die Zeiten der stationären Behandlung mitberücksichtigen wird. Insoweit müsste vor einem Abruf auch geklärt werden, ob Daten bei der Krankenkasse hierzu überhaupt vorliegen können.
- Besonderheiten bei Minijobs
Bei geringfügig Beschäftigten werden derzeit Meldungen und Beitragsnachweise nicht an eine Krankenkasse, sondern an die Minijob-Zentrale gesendet. Die Krankenkasse ist bislang bei den Aushilfen irrelevant und in der Regel dem Arbeitgeber nicht bekannt. Aber auch für diese Beschäftigten liegen die AU-Daten bei der Krankenkasse.
Derzeit ist geplant, dass Arbeitgeber die AU-Daten über die Minijob-Zentrale bei der Krankenkasse abrufen. Hierfür müssten die Arbeitgeber vorab in den Meldungen an die Minijob-Zentrale die zuständige Krankenkasse angeben. Für dieses Verfahren ist es also künftig erforderlich, bei Einstellung von sogenannten Minijobbern (geringfügig Beschäftigte) die Krankenkasse abzufragen.
- Weniger Bürokratie – weniger Auseinandersetzungen über die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Mit der Einführung der elektronischen AU-Bescheinigung soll nicht nur der bürokratische Aufwand minimiert werden. Es sollen so auch die immer wieder auftretenden Auseinandersetzungen zu der Frage, ob die AU-Bescheinigung ordnungsgemäß vorgelegt wurde, zukünftig vermieden werden.
Voraussetzung hierfür wäre jedoch, dass überall die entsprechenden technischen Voraussetzungen vorliegen. Nach unseren derzeitigen Recherchen sind viele Arztpraxen auf den digitalen Neueinsatz noch nicht ausreichend vorbereitet. Es dürfte also, bis zu der planmäßigen Umsetzung mit einer Reihe menschlicher und technischer Unwägbarkeiten zu rechnen sein.
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