Pauschale Abgeltung von Überstunden auch bei geringerem Gehalt zulässig

14.09.2021/LAG Mecklenburg-Vorpommern: Pauschale Abgeltung von Überstunden auch bei geringerem Gehalt zulässig

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 14.09.2021 (Az. 2 Sa 26/21 rechtskräftig)

In der Arbeitswelt wird oft unterstellt, dass die pauschale Abgeltung von Überstunden nur im Bereich höherer Einkommen zulässig sei. Das ist so nicht korrekt. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern  hat in seiner zwischenzeitlich rechtskräftigen Entscheidung vom 14.09.2021 (Az. 2 Sa 26/21) entschieden,  dass auch für Geringverdiener eine Überstundenregelung wirksam sein kann. Nach dem streitgegenständlichen Formulararbeitsvertrag (Standard-Arbeitsvertrag) waren zehn Stunden Mehrarbeit pro Monat mit dem normalen Gehalt abgegolten. Das Gericht entschied, dass diese Regelung weder sittenwidrig noch überraschend oder intransparent sei. Daher sei eine solche Klausel in einem Standard-Arbeitsvertrag zulässig.

Der Sachverhalt

Ein Mitarbeiter einer Finanzbuchhaltung mit einem eher geringen Gehalt von 1.800 € für eine 40-Stundenwoche hatte in seinem Standart-Arbeitsvertrag die zusätzliche Regelung, es seien mit dem Gehalt monatlich zehn Stunden Mehrarbeit abgegolten. Der Mitarbeiter hält die Klausel für unwirksam und verlangt vom Arbeitgeber eine zusätzliche Vergütung für die Überstunden in Höhe von 940,- €.

Die Gerichtsentscheidung

Das Gericht wies die Klage ab. Die im Arbeitsvertrag vereinbarte Pauschalvergütung sei zulässig. Sie verstoße nicht gegen die Regeln für Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die hier anwendbar sind, weil es sich beim Arbeitsvertrag um einen vorformulierten Standardvertrag handelt. Folgende Prüfungsparameter wendete das Gericht an:

  • Eine Klausel in einem solchen Standardvertrag darf nicht überraschend sein. Dies ist der Fall, wenn die Klausel so ungewöhnlich ist, dass der Beschäftigte damit gar nicht zu rechnen brauchte. Eine Pauschalabgeltung für zehn Stunden Mehrarbeit ist weit verbreitet und daher nicht ungewöhnlich.
  • Eine Klausel muss transparent, das heißt klar und verständlich sein. Nach ständiger BAG-Rechtsprechung ist das bei einer Pauschalvergütungsabrede der Fall, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang erfasst werden sollen. Der Beschäftigte muss erkennen können, was auf ihn zukommt. Das war hier der Fall, da die Stundenzahl genannt war.

Eine solche Pauschalvergütungsabrede für Überstunden kann – so das Gericht – auch für geringe Jahresgehälter vereinbart werden. Es bestehe Vertragsfreiheit. Die Begrenzung der Zulässigkeit solcher Regelungen sei die Sittenwidrigkeit (bzw. Lohnwucher). Das setze ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus, welches regelmäßig nur dann angenommen werden kann, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 eines in dem betreffenden Wirtschaftszweig üblicherweise gezahlten Tariflohnes bzw. der verkehrsüblichen Vergütung erreicht. Dafür seien keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen.

Das LAG konnte sich hinsichtlich der AGB-rechtlichen Bewertung der Klausel über die pauschale Abgeltung der Überstunden auf die höchstrichterliche Rechtsprechung berufen. Das BAG hat für derartige Klauseln entschieden, dass eine Transparenz-, aber keine Angemessenheitskontrolle in Betracht kommt und zugleich Vorgaben herausgearbeitet, wonach selbst 20 Stunden monatlich pauschal abgegolten werden dürfen (BAG, Urt. v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11; BAG).

Fazit

Für die Wirksamkeit von Überstundenklauseln ist entscheidend, dass der Beschäftigte erkennt, welche genaue Anzahl von Überstunden er leisten muss bzw. pauschal mit der Vergütung abgegolten ist. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts genügt z.B. eine Klausel, die lautet „erforderliche Überstunden sind mit dem Monatsgehalt abgegolten“, nicht dem Transparenzgebot (BAG Urteil v. 01.09.2010 – 5 AZR 517/09).

Die Anwendung der Klausel verbietet sich, wenn dies zur Folge hat, dass der Mindestlohn unterschritten wird!

Schließlich ist eine solche Klausel an den Bestimmungen des Lohnwuchers bzw. des wucherähnlichen Geschäftes zu messen. Hierzu führt das BAG aus:

Der objektive Tatbestand sowohl des Lohnwuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) als auch des wucherähnlichen Geschäfts (§ 138 Abs. 1 BGB) setzt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Ein solches kann regelmäßig angenommen werden, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in dem betreffenden Wirtschaftszweig üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht. Entspricht der Tariflohn dagegen nicht der verkehrsüblichen Vergütung, sondern liegt diese unterhalb des Tariflohns, ist von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen.“ (BAG, Urt. v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11).

Autor: Kai Dumslaff

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