Keine Verjährung von Urlaubsansprüchen im laufenden Arbeitsverhältnis

Bundesarbeitsgericht, Entscheidungen vom 20.12.2022, Az. 47/22 und 48/22

Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat in zwei Entscheidungen vom 20.12.2022 wichtige Klarstellungen zum Urlaubsanspruch getroffen.

In der Entscheidung 47/22 hat es entschieden, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers für das Kalenderjahr, in dessen Verlauf eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, nicht 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt, sofern der Arbeitnehmer in dem Jahr der Erkrankung noch teilweise seine Arbeitsleistung erbracht hat.

In der Entscheidung 48/22 hat das Bundesarbeitsgericht außerdem entschieden, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nicht verjährt oder verfällt, sofern der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Dies ergibt sich aus zwei Pressemitteilungen des Bundesarbeitsgerichts vom 20.12.2022.

Grundsätzlich gilt bei lang andauernder Erkrankung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses, dass etwaige Urlaubsansprüche für die Kalenderjahre, in denen überhaupt keine Arbeitsleistung erbracht wurde, 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfallen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungshandlungen nachgekommen ist, da der Arbeitnehmer aufgrund der Erkrankung den Urlaub hätte ohnehin nicht antreten können. Dies gilt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts in der zitierten Pressemitteilung jedoch nicht für das Kalenderjahr, in dem die Erkrankung eingetreten ist, da der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus diesem Kalenderjahr noch vor der Erkrankung hätte nehmen können, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen wäre.

Besonders interessant ist diese Feststellung, wenn sie im Zusammenspiel mit der zweiten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.12.2022 gesehen wird. Darin hat das Bundesarbeitsgericht nämlich entschieden, dass Urlaubsansprüche zwar grundsätzlich der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen, diese jedoch nicht mit dem Schluss des Urlaubsjahres zu laufen beginnt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt hat und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Damit folgt das Bundesarbeitsgericht dem europäischen Gerichtshof der die Gesundheit des Arbeitnehmers und damit die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Urlaubs höher bewertet, als dass sich der Arbeitgeber trotz seiner eigenen Versäumnisse auf die Gewährleistung der Rechtssicherheit und damit die Verjährung berufe.

Zusammengefasst bleibt somit festzuhalten, dass Arbeitnehmer möglicherweise rückwirkend über das gesamte Arbeitsverhältnis hinweg noch Urlaubsansprüche geltend machen können, während Arbeitgebern dringend dazu zu raten ist, rechtskonform ihren Unterrichtungspflichten im Hinblick auf die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer nachzukommen um jahrelange Nachforderungen rechtssicher auszuschließen.

Mitgeteilt von RA Dr. Ulrich Blang, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Quelle: Pressemitteilungen des Bundesarbeitsgerichts vom 20.12.2022

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